Offener Brief Fachkräftemangel

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident Laschet,sehr geehrter Herr Minister Dr. Stamp,
sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete,
sehr geehrter Herr Dedy, sehr geehrter Herr Dr. Schneider,
sehr geehrte Damen und Herren Oberbürgermeister und Bürgermeister,
sehr geehrte Fachdezernentinnen und Fachdezernenten,

Pädagogische Fachkräfte in Kindertageseinrichtungen gewährleisten die gesunde körperliche,
seelische und geistige Entwicklung der ihnen anvertrauten Kinder und schaffen den Rahmen
zur bestmöglichen Entfaltung ihrer individuellen Bildungspotentiale.
Qualitativ gute frühkindliche Bildung braucht quantitativ ausreichend viele gut ausgebildete und fair bezahlte Fachkräfte, die Anerkennung und Wertschätzung für ihre beruflichen Leistungen verdienen.

Das Forum Förderung von Kindern fordert die Landesregierung auf, den Fachkräftemangel mit Nachdruck zu bekämpfen. Durch die Umsetzung des Rechtsanspruchs auf Kindertagesbetreuung ist ein stetig steigender Fachkräftebedarf zu verzeichnen. Gemäß
der aktuellen Studie des Forschungsverbundes Deutsches Jugendinstitut und Technische Universität Dortmund „Plätze. Personal. Finanzen“ ergibt sich allein aufgrund demografischer Veränderungen bis 2025 bereits ein bundesweiter Personalmehrbedarf in Kitas von 205.000 Personen. Etwa ein Viertel davon dürften auf das bevölkerungsreichste Bundesland NRW
entfallen. Werden auch derzeit unerfüllte Elternwünsche auf den Umfang der Betreuung berücksichtigt, steigt der Bedarf auf 310.000 Personen.

Deshalb müssen Sie, die politisch Verantwortlichen, JETZT handeln.

Aus unserer Sicht gibt es eine Reihe von Stellschrauben, um Fachkräfte zu binden und zu gewinnen:
Investieren Sie in Prävention und Gesundheitsförderung!
Beschäftigte, die ihre Ansprüche verwirklichen können, fehlen seltener. Dies ist das Ergebnis einer Befragung durch das Wissenschaftliche Institut der AOK (Wido). Diese Erkenntnis ist
nicht neu. In der von der Alice Salomon Hochschule in Berlin auf Initiative der UK NRW von 2010 bis 2012 durchgeführten Studie „STEGE Strukturqualität und Erzieherinnengesundheit in Kindertageseinrichtungen“ wurden die Zusammenhänge von strukturellen Rahmenbedingungen und Gesundheit von pädagogischem Personal in Kindertageseinrichtungen erstmals empirisch untersucht und belegt. Aufgrund der hohen Belastungen verlassen viele jüngere Beschäftigte schon nach kurzer Zeit im Beruf den Arbeitsplatz Kita. Alarmierend ist auch die Zahl der Älteren, die vorzeitig in Rente gehen, weil sie den Belastungen nicht mehr gewachsen sind. Langzeiterkrankungen erhöhen die Belastung durch zu leistende Mehrarbeit. Verstärken Sie die Möglichkeiten zur Entlastung der Fachkräfte durch Hauswirtschaftskräfte, Verwaltungskräfte, Hausmeisterinnen. Es ist allerhöchste Zeit, die Arbeitsbedingungen zu verbessern und in Gesundheitsschutz zu investieren, um die Abwanderung von Fachkräften zu stoppen.
Gesunde Arbeitsbedingungen brauchen gute Rahmenbedingungen, die ermöglichen, dass es ausreichende Verfügungszeiten (1/4 der wöchentlichen Arbeitszeit) zur Vor- und Nachbereitung,
zum Austausch im Team und mit der Leitung und eine Vertretungsreserve für urlaubs-, fortbildungs- und krankheitsbedingte Fehlzeiten gibt. Die ständig steigenden Belastungen von Fachkräften müssen zudem durch Verbesserung des Fachkraft-Kind-Schlüssels gesenkt werden.

Investieren Sie in gute Bezahlung!
Gute Arbeit verdient Anerkennung und Wertschätzung, die sich in der Bezahlung niederschlägt. Bildungsarbeit gibt es nicht zum Nulltarif. Soziale Berufe müssen gesamtgesellschaftlich erheblich aufgewertet werden, um gute Arbeitskräfte langfristig an das Arbeitsfeld binden zu können. Zumindest tarifliche Entlohnung muss überall möglich sein.
Seit mehr als zehn Jahren gibt es bundesweit eine Entwicklung zur Akademisierung von Berufen der Kindheitspädagogik. Damit hat Deutschland endlich Voraussetzungen geschaffen, an international geltende Maßstäbe für die Fachkräfte in der frühkindlichen Bildung anzuknüpfen. Dies muss aber auch einen Niederschlag finden in einer angemessenen Vergütung der hochqualifizierten Kräfte.


Investieren Sie in Qualifizierung von
Führungspersonal, Fort- und Weiterbildung der
Beschäftigten!

Kindertageseinrichtungen sind bundes- und landesweit inklusiv und multikulturell. Die Anforderungen an Führungskräfte steigen immer weiter. Den Führungskräften kommt die zentrale Rolle zu, Mitarbeiterinnen zu motivieren und zu binden. Sie benötigen, über die Fachschulbildung hinaus, Qualifizierungsangebote. Um Führungsaufgaben ausfüllen zu können, müssen verlässliche Freistellungsschlüssel festgelegt werden, Leiterinnen von Familienzentren benötigen darüber hinaus zusätzliche Freistellungsstunden.
Fachkräfte, die wieder in den Beruf einsteigen möchten, und Ergänzungskräfte, die eine pädagogische Vorbildung haben, müssen die Möglichkeit erhalten, sich über geeignete Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen weiterqualifizieren zu können.

Investieren Sie in hohe Ausbildungsqualität!
Berufsbegleitende und praxisorientierte vergütete Ausbildungsmodelle für Erzieherinnen wie PIA werden als Chance gesehen, die Attraktivität des Erzieherinnenberufs zu steigern. Die
Nachfrage nach PIA ist groß. Nur eine Vergütung während der Fachschulausbildung macht die Ausbildung für Berufsanfänger-*innen und Quereinsteiger-*innen finanziell tragbar. In den Einrichtungen müssen aber auch Zeitkontingente für die Mentor-*innentätigkeit bei der Betreuung der Auszubildenden eingeplant werden. Das ist eine Investition, die sich in besonderer Weise lohnt, weil sie verhindern kann, dass so viele Fachschüler-*innen
die Erzieher-*innenausbildung abbrechen. Die Kosten sind den Trägern ohne Anrechnung auf
den Personalschlüssel zu er-statten. Es fehlen insgesamt Ausbildungsplätze, Lehrerinnen und
Räumlichkeiten.
Landesweit werden mehr Standorte zur Ausbildung der Lehrkräfte benötigt. Es muss sichergestellt werden, dass Lehrer-*innen für Fachschulen in ausreichender Zahl ausgebildet
werden. Die fachspezifische Qualifikation ist dabei weiterhin zu gewährleisten.

Beschleunigen Sie die Anerkennung der Ausbildung
anderer Länder. Stärken Sie Koordinierungsstellen
wie „Quereinstieg“ und „Mehr Männer in Kitas“.

gez. Beate Heeg (Eltern helfen Eltern), Elisabeth Löckener (FdK
LV NRW), Dorothea Schäfer (GEW), Almut Heimbach (KEKS),
Katja Wegner-Hens (LEB-NRW), Andreas Hemsing (komba
gewerkschaft nrw), Klaus Amoneit (PEV), Ulrich Neumann
(Vereinigung der Waldorfkindergärten Region NRW).

Verteiler:
Herrn Ministerpräsident Laschet
Herrn Minister Stamp
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